“Das ist kein richtiges Studieren.“
Juni 2020
Ich heiße Viktoria, ich bin 24 Jahre alt, wohne in Bamberg und komme aus der Nähe um Karlsruhe. Anfangs hat die Pandemie mein Leben quasi auf Pause gedrückt. Man war plötzlich einfach daheim. Ich studiere die Fächer Erziehungs- und Bildungswissenschaften im 2. Master-Semester.
Ich empfinde das Studieren gerade unwirklich, weil die Zwischenmenschlichkeit fehlt. Du hast nicht mehr diese räumliche Trennung von Universität und Zuhause. Vorher war es so: Du gehst zur Universität, arbeitest an deinem Zeug, erledigst deine Aufgaben, kommst wieder nachhause, hast deinen Freiraum. Aber jetzt spielt sich alles in meinem Zimmer ab. Da habe ich meine Vorlesungen, meine Seminare, da breite ich Referate vor, da schreibe ich meine Hausarbeiten. Und die Bibliotheken haben auch zu. Durch den Lockdown lebe ich in einem Gefühl konstanter Angespanntheit. Mir fehlt einfach die räumliche Trennung meiner Lebensbereiche. Die Vorlesungen kann ich mir immer anhören, wann ich will, weil die aufgenommen werden. Aber die Seminare sind wirklich schlimm. Jeder außer der Dozent hatte sein Mikro und die Kamera aus. Der Dozent spricht quasi in einen schwarzen Raum hinein. Aber Seminare leben von Austausch, von Interaktion, von Besprechungen von schwierigen Fragen, Meinungen! Stattdessen: Fünf Minuten Stille nach einer Frage. Das ist kein richtiges Studieren.
Ich bin jung. Statistisch heißt das: gesund. Ich sorge mich eher um andere Leute. Um meine Eltern zum Beispiel, oder meine Wohngemeinschaft, wir sind zu acht. Wenn ich’s da anschlepp‘, dann bekommen es wahrscheinlich die anderen. Dann kann der Eine oder die Andere nicht arbeiten gehen. Mir nahestehende Personen müssten in Quarantäne – wieder Zwangspause. Also es sind eher die Auswirkungen, die das haben würde, wenn ich es haben sollte, die mir Sorgen machen.
Das Rauskommen aus dem eigenen Haushalt fehlte mir am meisten. Also im Café zu sitzen ist schon was anderes als auf dem Balkon oder per Skype. Auf jeden Fall werde ich als erstes tanzen gehen, wenn es wieder möglich ist. Salsa oder Cha-Cha-Cha. Oder Lindy Hop. Vor Bamberg habe ich in Freiburg gewohnt. Da gab es einen Brunnen, an dem im Sommer fast jeden Abend die Tanzszene auflief und frei tanzte. Da war ich sehr oft, weil mir das so gefallen hat. In Bamberg konnte ich noch nicht so richtig Fuß fassen. Und durch die Pandemie ist es aktuell sowieso schwierig.
English translation
„This is not real studying.“
June 2020
My name is Viktoria, I am 24 years old, live in Bamberg and come from near Karlsruhe. In the beginning, the pandemic almost put my life on pause. Suddenly you were just at home. I study the educational sciences in the 2nd master semester.
I think studying is unreal right now. You no longer have spatial separation of university and home. Before corona it was like this: you go to university, work on your stuff, do your tasks, come back home, have your free space. But now everything is happening in my room. There I have my lectures, my seminars, I prepare presentations, I write my papers. And the libraries are closed, too. Because of the lockdown, I live in a feeling of constant tension. I simply lack the spatial separation of my aspects of life. I can always listen to the university lectures whenever I want. But the seminars are really bad. Everyone except the lecturer had his microphone and camera off. It’s like speaking into a black room. But seminars live from exchange, from interaction, from discussions of difficult questions, opinions! Instead: Five minutes of silence after a question. This is not real studying.
I am young. Statistically this means: healthy. I’m more concerned about other people. For my parents, for example, or my flat mates in our living community. If I drag the virus there, the others will probably get it, too. Then one or the other cannot go to work. People close to me would have to be in quarantine – forced break again. So it’s more the effects of my person on others that worry me, if I would have the virus.
What I missed the most was getting out of my household. Sitting in a café is something different than on the balcony or via Skype. In any case, I will go dancing first, when it’s possible again. Salsa or Cha-Cha-Cha. Or Lindy Hop. I lived in Freiburg before Bamberg. There was a fountain, where the dance scene appeared during summer. Almost every evening people danced. I was there a lot because I liked it that way. I haven’t really got a foothold in Bamberg yet. And the pandemic is making things difficult anyway.